Kia e-Soul im Kurz-Test

Es ist nicht die ansatzlos kraftvolle Beschleunigung. Es ist nicht der ausdauernd unterbrechungsfreie Vortrieb bis der Tacho 170 km/h zeigt. Es ist die kleine Zahl im großen Infotainment-Screen, wenn Du an der linken Schaltwippe ziehst: -143 kW.

-143 kW bedeutet 143.000 Watt. Oder, in alten Werten, 194,5 PS. Der Kia e-Soul kann also etwas, dass die wenigsten Elektroautos der ersten Generationen beherrscht haben: mit voller Motorleistung rekuperieren.

Wenn Du also völlig sinnlos von der Beschleunigungsspur losschepperst, den Pin voll durchgedrückt lässt und die orangene Kante auf 150 blitzen lässt – auch wenn dafür vielleicht ein bisschen zuviel Verkehr ist – kannst Du erstmals beruhigt in die Eisen gehen. Weil Du eben nicht in die Eisen gehst. Wertvolle Energie nicht stumpf in Reibungshitze und Bremsstaub verwandelst. Stattdessen surren die Elektronen, die eben noch Marschbefehl in Richtung Elektromotor bekommen haben nun brav in die Batterie zurück. Natürlich schafft Kia mit dem neuen e-Soul kein Perpetuum mobile, doch die Koreaner wirken irgendwie sehr nah dran.

Das fängt damit an, dass das stärkere der beiden voll elektrischen Crossover den Fahrer beim Einsteigen nun mit einer Anzeige von über 400 Kilometern Reichweite empfängt. Die 204 PS-Variante schafft dies dank eines 64 kWh fassenden Batteriespeichers, der es nicht nur in Sachen Daten krachen lässt. Es ist vor allem die Zellchemie, die aufhorchen lässt.

Kia bezieht die Batterizellen vom ebenfalls südkoreanischen Zulieferer SK Innovation. Ihrerseits einer der größten Player in der Lithium-Ionen-Sparte gibt es für den e-Soul nun feinste Ware. NCM811 lautet die Zauberformel, zu deutsch: Nickel – Kobalt – Mangan in einem Verhältnis von 8 zu 1 zu 1. Mit dieser Zusammensetzung sind die Koreaner die Ersten am Großserienmarkt. Im Vergleich zu älteren Zellchemien bietet der deutlich geringere Anteil an Kobalt und Mangan nicht nur Kostenvorteile, sondern auch Gewichtsvorteile – trotz größere Gesamtleistung und größere Kapazitäten.

Zum Vergleich: Der jüngst aufgefrischte BMW i3S kommt mit NCM622 zum Kunden, so auch der Audi etron und der Jaguar iPace. Nur Mercedes-Benz ist ähnlich weit, doch deren EQC – der ebenfalls über NCM811-Zellen verfügen soll – ist noch weit von einer Markteinführung entfernt.

Kia hat also klammheimlich einen Marktführer geschaffen. Absolut auf Augenhöhe mit Tesla – in Sachen Batterieleistung ist das e-Soul-Pack sogar dem Model 3 in weiten Teilen überlegen.

Dabei darf man den e-Soul nicht etwa auf seine Batterie reduzieren. Auch das restliche Umfeld passt. Man merkt dem Crossover an, dass er nun schon in dritter Generation gebaut wird. Die cleveren Details sind alle weiterhin vorhanden und die kleinen Makel haben sie konsequent ausgemerzt. So etwa der Kofferraum: war er in der ersten Elektrogeneration noch eher als Witz zu verstehen, schafft der Neue hier klassenübliche Werte, durch die kastige Außenform vor allem aber eine wunderbare Nutzbarkeit.

Überhaupt, das Kantige des e-Souls ist vielleicht seine größte Stärke. Cooles Design trifft auf generöse Innenraummaße. Hohe Sitzposition ohne protzigen SUV-Auftritt. Liebevolle Details und clevere Features. So etwa das radargesteuerte Rekuperieren. Der Soul scannt konstant den vorausfahrenden Verkehr und steuert die automatische Bremseinspeisung an Hand des Abstands und der Geschwindigkeit der Anderen. Im Ergebnis braucht man praktisch nur noch zum Stehenbleiben bremsen, den Rest erledigt der Soul ganz von alleine.

Was in der Theorie gar nicht besonders klingt, entpuppt sich in der Praxis als absolutes Highlight. Stadtfahren hat noch nie soviel Sinn gemacht wie im elektrischen Soul. Dazu kommt, dass man das System in seiner Stärke noch feinjustieren kann – von fast unmerklich, bis hin zu knackig stramm bremsend. Wer will, kann wie eingangs besprochen auch die linke Schaltwippe gezogen halten und erntet dadurch die maximale Rekuperationswirkung bis zum Stillstand. Mit ein bisschen Übung braucht man so tatsächlich kein Bremspedal mehr.

Und es sind genau diese Features, die den Soul wirklich zur Benchmark machen. Er ist kein gekünsteltes Showcar, kein zwingend auf „Elektro“ getrimmtes Designersielzeug – er ist ein grundsolides Auto, das mit ein bisschen Umdenken und loslösen vom alten Verbrennertum einen ganz neuen Ansatz geschaffen hat. Seine neue Infotainmentgeneration etwa zählt mit ihrer Displaygröße, der Bedienfreundlichkeit und dem Rechentempo sicher zum Besten, was es – nicht nur in dieser Klasse – zu kaufen gibt. Dazu kommt mit UVO eine neue Telematikapp, die alle Bedürfnisse eines E-Autofahrers wie Ladesteuerung und –überwachung, Vorkonditionierung und remote Routenplanung, perfekt unterstützt.

Das Beste am neuen Kia e-Soul ist aber: Er ist keine Vision. Es ist das Serienauto. Jetzt zu haben bei jedem Händler ab 33.990 Euro für die kleine Variante oder ab 37.790 Euro für den von uns gefahrenen 150 kW/204 PS starken mit der großen 64 kWh-Batterie.

Übrigens: Auf der ersten Testrunde kamen wir auf einen Durchschnittsverbrauch von 16,4 kWh / 100 km – und das bei durchaus „voller“ Fahrt. Unser bisheriger Durchschnitt bei den meisten E-Autos lag bei rund 20 kWh / 100 km. Aber wir wiederholen uns: Der neue e-Soul ist eben die neue Benchmark unter den Elektroautos.

Technische Daten*

Modell: Kia e-Soul 204 Edition 7
Motor: Permanentmagnet-Synchronmotor
Leistung: 204 PS (150 kW) bei 3.800-8.000
Drehmoment: 395 Nm bei 0-3.600 U/min
Antrieb: Frontantrieb, Eingang-Reduktionsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 15,7 kWh / 100 Km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 167 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,20 m/1,80 m/1,61 m
Gewicht: 1.757 Kg
Grundpreis: 37.990 Euro

*Herstellerangaben

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