KIA e-Niro im Test: Das aktuell beste Elektro-Modell?

Elektroautofahren ist häufig eine Sache des Glaubens. Mehr vielleicht nur noch des Gewissens. Und das will man zeigen. Es muss anders aussehen. Auffallen. Statussymbol sein, obwohl es doch gerade keins sein soll. Einen ganz anderen Ansatz wählt der Fahrer des Kia e-Niro.

Denn: Man sieht ihm „Elektro“ nicht wirklich an. Das E auf dem Kennzeichen kann auch sein Plug-in Hybrid-Bruder beantragen. Und sogar als Mildhybrid mit der vollen Kraft des Verbrenners kann man den Niro kaufen.

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Für wen ist also der Kia e-Niro?

Die Antwort ist einfach. Der vollelektrische Niro ist vor allem für diejenigen, die ein wirklich gutes Elektroauto suchen. Vielleicht sogar das Beste, das man für Geld diesseits unbegrenzter Budgets kaufen kann.

Technische Highlights

Ganz klar, die 64 kWh fassende NCM811-Batterie des Kia e-Niro. Mit ihr liegen die Koreaner sehr weit vorne im Konkurrenzumfeld, in ihrer Preisklasse sogar an der Spitze. Die moderne Zellchemie schont nicht nur die Ressourcen durch geringeren Anteil an Kobalt und Mangan, sondern leistet auch mehr als andere. Mit der höchsten Energiedichte schafft es Kia das Pack-Gewicht auf unter deutlich 500 kg zu reduzieren.

Dazu kommt die clevere Rekuperationssteuerung. Gerade auf der Langstrecke zeigt sich nämlich, dass das „One-Pedal-Driving“ gar nicht mal so sinnvoll ist. Soll heißen: nicht immer, wenn der Fahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt, muss das Auto zwingend rekuperieren. Es ist weit sinnvoller ab einer gewissen Geschwindigkeit das Momentum zu nutzen und das Auto rollen zu lassen.

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Läuft man dann auf den Vordermann auf greift der Kia e-Niro auf den exzellent funktionierenden Radar-Assistenten zurück und bremst den Wagen energetisch sinnvoll ein. Besonders in der Stadt ist das System derart ausgereizt, dass man sich fragt, warum man nicht schon immer so fährt.

Bremsen ohne zu bremsen

Wer überdies spielen will und die letzten Effizienzpunkte einsammeln mag, dem sei die linke der beiden „Schaltwippen“ empfohlen. Mangels Getriebe steuern diese nämlich nicht die Gänge, sondern die Stärke der Rekuperation. Wer also beim automatischen Radarbremsen auf dem letzten Meter auf die hydraulische Betriebsbremse verzichten mag, der hält einfach das linke Paddle gezogen und stoppt den Kia e-Niro so komplett rekuperativ.

In Summe sind durch diese clevere Steuerung und den reichlichen Elektronenvorrat im Heck innerorts Reichweiten von locker über 400km möglich – und das auch im Winter um null Grad Außentemperatur und nicht vorkonditionierter Batterie.

Auf der Autobahn sind es bei Richtgeschwindigkeit 130 km/h und ebenfalls winterlichen Temperaturen knapp 300 Kilometer. Der Verbrauch liegt hier dann allerdings über 20 kWh/100km. Das gilt allerdings tatsächlich für wirklich freie und konstante 130 km/h. Wer im Berufsverkehr mitpendelt, dort dann auch mal auf 150 km/h beschleunigt, aber eben auch auf 100 km/h zurückfällt, der erntet Verbräuche um 18 kWh/100km.

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Wir kamen im Testschnitt auf 17,1 kWh/100 km, was angesichts der Winterbereifung, der ständig durchgefrorenen Batterie und des nicht gerade zimperlichen Fahrprofils ein beeindruckender Wert ist.

Motor & Performance

Mit der großen Batterie kommt auch der große Motor. Wo der kleine Kia e-Niro mit 39.2 kWh und 100 kW auskommen muss, sind es in unserem Testwagen 150 kW Motorleistung. Nach alter Währung also 204 PS. Dazu gibt es 395 Nm. Ordentlich Pfund also, um den grauen Koreaner zügig von jeder Ampel starten zu lassen.

Mitunter sogar zu viel Pfund. Denn bei nasser Straße gehen ihm dann gerne mal die Pferde durch. Dank ordentlich Lenkeinflüssen des Antriebs hat man so auch ordentlich am Volant zu tun, um den Niro auf Kurs zu halten.

Irgendwie ist das aber charmant. Wo es doch sonst seelenruhig und effizient zugeht, ist dieser kleine Ausriss eine willkommene Ablenkung und diese Prise Emotion, die dem Elektroautofahren sonst schnell abgeht.

Überhaupt, wenn man den Kia e-Niro ein bisschen beherzter fährt als man eigentlich sollte, dann macht er wirklich Spaß. Weil er hoch aufbaut, soft gefedert ist und durch den tiefen Batterieschwerpunkt dann doch satt auf der Straße liegt. Der Aufbau macht zwar wilde Bewegungen, die Reifen pfeifen auf der letzten Rille und trotzdem ist alles unter Kontrolle.

Natürlich wird aus einem großgewachsenen Kompakten kein Sportwagen, aber das Temperament des Koreaners ist dann doch fröhlich.

Platzangebot & Praktikabilität

Im Meer der SUV geht der Kia e-Niro vielleicht ein bisschen unter, dennoch bietet seine aufrechte Statur im Innenraum ein nicht minder großzügiges Platzangebot. In der ersten Reihe ist es sehr bequem, dank der freistehenden Mittelkonsole ist das Raumgefühl sogar trotz schwarzer Innenausstattung luftig.

Im Fond freuen sich die Passagiere ebenfalls über ein komfortables Raumangebot. Nettes Gimmick ist die Sitzheizung für die äußeren Plätze und die 230V-Steckdose – beides serienmäßig in der Spirit-Ausstattung.

Der Kofferraum ist mit 451 Litern Ladevolumen ebenfalls reichlich bemessen, geschlagen nur von echten Kombis. Bei umgeklappten Lehnen kommt die kastige Karosserie zum Vorteil, denn dachhoch beladen schluckt der e-Niro so ziemlich jedes Paket.

Beim Elektroauto müssen wir auch die Lademöglichkeiten zur Praktikabilität zählen. Der Kia e-Niro mit der großen 64kWh-Batterie schneidet hier ebenfalls gut ab. Das liegt aber zum Einen an der großen Batterie und zum Anderen an seiner Schnellladefähigkeit. Die Alltagsreichweite ist so groß, dass Zwischenladungen nicht mehr stattfinden. Man fährt bis ans Ziel und lädt dann dort – die Ladegeschwindigkeit von 7.4kW durch ein nur einphasiges Onboard-Ladegerät für AC ist also vernachlässigbar.

Der Kia e-Niro lädt mit bis zu 77 kW

Am CCS-Stecker bringt es der e-Niro dann auf bis zu 77 kW. Generell ist die Performance am DC-Charger gut. Zu Beginn scheint er die Batterie ein bisschen zu konditionieren, sofern man nicht von einer Autobahnetappe kommt. So werden in den ersten Minuten nur 20-30 kW zugelassen. Dann spurtet er allerdings schnell in Richtung Spitzenleistung und beginnt erst weit nach 70% zu drosseln. Ab 80% lud er in unserem Test dann immerhin noch mit 20-25 kW.

Allerdings lässt er sich für die letzten Prozente beim Balancieren dann schon verhältnismäßig viel Zeit. Es waren von 80-100% dann gerne auch mal mehr als 60 Minuten.

Doch hier schlägt dann wieder die Stunde der 64 kWh – auch mit 80% bietet sie knapp 300km reale Reichweite, was mehr als ausreichend ist. Vor allem macht sie den Kia e-Niro damit zu einer Alternative für all jene, die einfach ein praktisches und gutes Auto suchen.

Denn das ist er. Ab 39.090 Euro geht es für die 64 kWh-Variante los. Und das vor Rabatten und Förderung. Die größte Ausstattungsvariante steht mit 45.790 Euro in der Liste und lässt dann auch in Sachen Soundsystem, Lederausstattung und Infotainment keine Wünsche mehr offen.

Die Konkurrenz kann solche Angebote aktuell nicht bieten. Das zeigt sich auch an den Lieferzeiten für den Kia e-Niro. Waren es im vergangenen Jahr noch 12 Monate Wartezeit, so hat man uns versprochen, dass es in 2020 nur noch die Hälfte sein werden. Wir hoffen das, denn das Auto hat es verdient gekauft und gefahren zu werden.

Technische Daten*

Modell: Kia e-Niro Spirit 64kWh
Motor: Permanentmagnet-Synchronmotor
Leistung: 204 PS (150 kW) bei 3.800-8.000
Drehmoment: 395 Nm bei 0-3.600 U/min
Antrieb: Frontantrieb, Eingang-Reduktionsgetriebe
Verbrauch (WLTP): 15,9 kWh / 100 km
Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 7,8 s
Reichweite (WLTP): 455 km (615 km City)
Höchstgeschwindigkeit: 167 Km/h
Abmessungen (L/B/H): 4,37 m/1,80 m/1,56 m
Gewicht: 1.757 Kg
Grundpreis: 45.790 Euro für Modell Spirit (sonst ab 39.090 Euro)

*Herstellerangaben

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